Die funktionalistische Ideologie der Moderne und die Realität der Immobilienentwicklung haben dazu geführt, dass die Erdgeschoßzone von Wohnhäusern zunehmend verkümmert. Dort, wo noch in der Gründerzeit Gewerbe, Handel und Gastronomie untergebracht waren, findet man heute nur mehr Fahrradabstellräume, Müllräume, Nebenflächen. Damit ist das Wohnhaus von der umgebenden Stadt abgeschnitten, schließlich war die Erdgeschoßzone einst der Ort der Vermittlung zwischen öffentlichem und privatem Raum. KritikerInnen der modernistischen Stadtideologie, allen voran Jane Jacobs, wiesen schon vor mehr als fünfzig Jahren darauf hin, dass Urbanität nur durch Nutzungsmischung zu erreichen ist. Die AkteurInnen des heutigen Städtebaus sind sich weitgehend einig, dass Wohnhäuser in Stadterweiterungsgebieten deshalb gewerbliche und andere öffentlich orientierte Nutzungen im Erdgeschoß brauchen – diese Einigkeit änderte aber bisher nichts daran, dass derartige Nutzungen nur sehr selten und in minimalem Ausmaß realisiert werden. Das Seminar widmet sich diesem Problemfeld zeitgenössischen Wohnbaus.
Einerseits wird der heutige Status quo untersucht: Wie sind Erdgeschoßzonen heutiger Wohnhäuser tatsächlich genützt, wie funktionieren sie, wie sind sie gestaltet? Und andererseits werden beispielhafte Projekte aus ganz Europa untersucht und auf ihr Funktionieren hin analysiert.
Abb.: Caspar David Friedrich: Schiffe im Hafen am Abend, 1827/1828